Die Transplantation bedeutet für die meisten Menschen wieder einen Schritt in Richtung Normalität. Obwohl viele Lebenseinschränkungen im Vergleich zu der Zeit an der Dialyse wegfallen, gibt es auch einige neue Punkte, die für deine eigene Gesundheit und die deiner neuen Niere nach der Transplantation zu beachten sind. Dazu zählen insbesondere die Medikamente, die nach der Transplantation dein Immunsystem bremsen (= supprimieren). Diese Immunsuppressiva sollen verhindern, dass dein Immunsystem dein neues Organ als Eindringling erkennt, und ermöglichen deiner neuen Niere sicher in deinem Körper anzukommen. Der Job der Immunsuppressiva ist es also im Optimalfall zu verhindern, dass eine sogenannte Abstoßungsreaktion deiner neuen Niere stattfindet.
Wie so oft gibt es natürlich aber auch hier Vor- und Nachteile. Obwohl deine neue Niere so also hoffentlich besser von deinem Körper angenommen werden kann, können diese Medikamente auch zu einer Reihe von Nebenwirkungen führen. Bevor wir uns diese im Detail anschauen, klären wir aber erst einmal, was Immunsuppressiva überhaupt sind. Du kannst dir aber jetzt schon merken, dass Nebenwirkungen zwar auftreten können, es gibt jedoch immer auch Möglichkeiten, mit deren Hilfe du und dein Ärzteteam versuchen können diese zu verhindern oder zu behandeln.
Warum sollte ich nach meiner Nierentransplantation Immunsuppressiva einnehmen?
Dein Immunsystem ist dafür zuständig Eindringlinge oder kranke Zellen zu erkennen, die eine Gefahr für deine Gesundheit bedeuten können. Wenn diese Zellen oder Erreger von deinen Immunzellen erkannt wurden, wird der Rest deines Immunsystems aktiviert, um sie zu bekämpfen und deinen Körper fit und gesund zu halten.
Bakterien und Viren, entartete Krebszellen oder auch Fremdkörper können dein Immunsystem aktivieren. Kein Wunder also, dass dein Immunsystem auch bei der Transplantation einer neuen Niere hellhörig werden kann. Schließlich ist deine neue Niere kein Organ, das auf natürliche Art und Weise zu deinem Körper gehört. Wird dein Immunsystem nach der Transplantation übermäßig aktiviert, kann es zu einer Abstoßung kommen.
Aus diesem Grund wird vor der Transplantation geprüft, wie gut die neue Niere zu deinem Körper und deinem Immunsystem passt. Dafür werden immunologische Merkmale, wie zum Beispiel die Gewebemerkmale (z.B. HLA-Merkmale), des Spenders und Empfängers miteinander verglichen. Stimmen diese überein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die neue Niere besonders gut zu deinem Körper passt.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen enthält die neue Niere immer noch eine Reihe von fremden Informationen und Merkmalen, die dein Immunsystem skeptisch machen und so zu einem möglichen Angriff auf die neue Niere führen können. Diese Abstoßung kann plötzlich auftreten und rasch zu einer Abnahme deiner Transplantatfunktion führen (akute Abstoßung) oder unterschwellig, langsam “brodelnd” deine neue Niere schädigen (chronische Abstoßung).
Die Zeichen einer Abstoßung sind unterschiedlich. Oft merkst du die Abstoßung gar nicht selbst und sie fällt erst bei deiner nächsten Kontrolle durch eine Veränderung deiner Laborparameter auf. Seltener kann es zu reduzierten Harnmengenn (=weniger Urin) oder generellem Unwohlsein kommen. In manchen Fällen kann eine Abstoßung sogar zu einem völligen Verlust der Funktion deiner Niere führen. Eine richtige Entzündungsreaktion mit Fieber und Schmerzen im Bereich der neuen Niere ist noch seltener und meistens damit verbunden, dass die Immunsuppression ausgesetzt ist. Um diese Probleme frühzeitig zu erkennen, finden nach der Transplantation regelmäßige Kontrolltermine bei deinem Ärzteteam statt.
Was sind Immunsuppressiva?
Um die Wahrscheinlichkeit für eine Abstoßung zu minimieren, gibt es sogenannte Immunsuppressiva. Wie der Name bereits vermuten lässt, unterdrücken (= supprimieren) sie die Wirkung des Immunsystems. Durch dieses Ausbremsen des Immunsystems entgeht die neue Niere also dem Radar der Abwehrkräfte und kann so entspannt in deinem Körper ankommen.
Generell bremsen diese Medikamente hauptsächlich die Zellen des Immunsystems. Dazu zählen vor allem die T- und B-Lymphozyten. Diese Zellen erkennen nicht nur Fremdkörper und Eindringlinge, sondern mobilisieren im Anschluss auch noch Verstärkung in Form von Antikörpern oder Entzündungszellen. Die genaue Wirkung der Immunsuppressiva hängt jedoch immer von der einzelnen Substanzklasse ab.
Folgende Klassen werden bei den Immunsuppressiva unterschieden:
Was sind häufige Nebenwirkungen der Immunsuppressiva?
Die einzelnen Klassen der Immunsuppressiva unterscheiden sich durch die enthaltenen Wirkstoffe und damit natürlich auch in ihrer Wirkung. Generell hemmen diese die Wirkung des Immunsystems über unterschiedliche Angriffspunkte. Werden zu wenig Immunsuppressiva eingenommen, kann es sein, dass zwar seltener Nebenwirkungen auftreten, allerdings kommt es so auch eher zu einer Abstoßungsreaktion.
Werden zu viele Immunsuppressiva eingenommen, sind Nebenwirkungen wahrscheinlicher. Wichtig ist also, das passende Gleichgewicht zu finden. Immunsuppressiva sollten in ihrer Dosierung daher immer so hoch wie nötig, aber so niedrig wie möglich gewählt werden. So können die positiven Wirkungen und die Nebenwirkungen in der richtigen Balance gehalten werden. Aber welche Nebenwirkungen gibt es überhaupt und woran kannst du sie möglicherweise erkennen?
1. Opportunistische Infektionen nach Transplantation
Das hört sich jetzt auf den ersten Blick etwas sperrig an, ist aber eigentlich ganz einfach zu verstehen: Das Ausbremsen des Immunsystems hat, wie du dir schon denken kannst, natürlich auch seine Schattenseite. Das Immunsystem akzeptiert die neue Niere nun zwar besser, erkennt deshalb aber auch Krankheitserreger weniger gut. Dazu zählen Bakterien, Viren oder Pilze. Diese können sogenannte opportunistische Infektionen verursachen. Diese tragen deshalb diesen besonderen Namen, da sie anders als bei “normalen” Infektionen oft nur dann zu einer Infektion führen, wenn sie eine Schwächephase deines Immunsystems ausnutzen können.
Typische Erreger für opportunistische Infektionen nach der Transplantation findest du hier zusammengefasst:
Genauere Informationen zu opportunistischen Infektionen nach der Nierentransplantation, wie du sie erkennst und wie sie behandelt werden, erhältst du in anderen Artikeln in der Mizu App. Wie du siehst, sind Infektionen nach der Transplantation also eine relativ häufige Komplikation und müssen immer durch dein Ärzteteam kontrolliert und behandelt werden. Deine Infektionswerte werden nach der Transplantation daher regelmäßig kontrolliert.
Zusätzlich solltest du auch zuhause regelmäßig deine Temperatur messen und bei Symptomen wie Fieber, Durchfall oder einem Husten, rasch Kontakt zu deinem Ärzteteam aufnehmen. Im Logbuch der Mizu App kannst du alle deine Werte regelmäßig dokumentieren. Neben den opportunistischen Infektionen sind vor allem Infektionen der Harnwege nach der Transplantation besonders häufig. Typische Symptome sind hier das Brennen beim Wasserlassen oder Schmerzen und möglicherweise Fieber. Die Harnwegsinfektionen machen nach der Transplantation etwa 40-50% aller Infektionen aus. Sie werden in der Regel durch die Gabe von Antibiotika behandelt.
2. Erhöhtes Krebsrisiko nach Transplantation
Neben Bakterien und Viren erkennt dein ausgebremstes Immunsystem nach der Transplantation womöglich auch Krebszellen weniger gut. Das bedeutet natürlich nicht zwangsläufig, dass eine Krebserkrankung eintritt. Du solltest aber bei Bedarf an allen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, um im Zweifelsfall frühzeitig reagieren zu können.
Das gilt für die Vorsorge von Hautkrebs, Darmkrebs und für die häufigen Krebsformen bei Männern (z.B. Prostata) und Frauen (z.B. Gebärmutterhalskrebs, Brustkrebs). Wie genau die Vorsorge nach der Transplantation abläuft und wie du auch zuhause durch eine Selbstuntersuchung regelmäßig vorsorgen kannst, erfährst du auch in anderen Artikeln der Mizu App.
3. Post-Transplant Diabetes mellitus (=PTDM)
Vor allem die Kortikosteroide, zu denen beispielsweise Prednisolon und Tacrolimus/Cyclosporin gehöhren, können deinen Stoffwechsel etwas durcheinanderbringen. Als Ergebnis kann eine Therapie mit diesen Medikamenten nach der Transplantation zum Auftreten einer neuen Zuckerkrankheit (= Post-Transplant Diabetes mellitus) oder einer Entgleisung deiner Blutzuckerwerte führen. Dieser Post-Transplant Diabetes mellitus (=PTDM) äußert sich durch hohe Blutzuckerwerte im Labor. Andere Symptome können beispielsweise Heißhunger oder eine Gewichtszunahme sein.
Experten gehen davon aus, dass es in bis zu einem Drittel der Transplantierten zum Auftreten einer solchen Zuckerkrankheit kommt. Die wichtigsten Maßnahmen, die bei der Behandlung und Vorsorge helfen, sind Bewegung, eine Ernährungsumstellung und eine Anpassung des Gewichts.
Neben deinen Blutzuckerwerten können auch Blutfette, wie Cholesterin, durch die immunsuppressive Therapie erhöht sein. Diese Laborwerte werden vor allem kurz nach der Transplantation regelmäßig geprüft. Deine Werte kannst du wie immer im Logbuch der Mizu App festhalten.
4. Bluthochdruck durch Immunsuppressiva
Neben deinem Stoffwechsel kann sich die Therapie mit Immunsuppressiva auch auf deinen Blutdruck auswirken. Dieser kann durch die Verwendung der Medikamente ansteigen. Dein Blutdruck nach der Transplantation ist aber auch von anderen Faktoren, wie deinen Werten vor der Transplantation und der Qualität der Spenderniere abhängig.
Generell können hohe Blutdruckwerte zu einer Abnahme der Funktion deiner neuen Niere führen. Ähnlich wie bei hohen Zuckerwerten helfen auch hier Bewegung, eine gesunde Ernährung und eine Anpassung deiner Medikamente. Die genaue Therapie besprichst du natürlich wie immer mit deinem Ärzteteam.
5. Abnahme der Nierenfunktion
Einige der Immunsuppressiva können in hohen Mengen auch zu Einschränkungen der Funktion deiner neuen Niere führen. Grund dafür ist, dass die Medikamente die Durchblutung deiner neuen Niere herabsetzen. In der Regel können diese Veränderungen deiner Nierenfunktion jedoch rückgängig gemacht werden und so durch Anpassungen der Dosis deiner Medikamente oder Umstellung auf Alternativen wieder in den Griff bekommen werden.
Nichtsdestotrotz ist daher eine regelmäßige Kontrolle deiner Nierenwerte wichtig. Achte also darauf, dass du deine Kontrolluntersuchungen bei deinem Transplantationszentrum und deine:r Nephrolog:in auch regelmäßig und verlässlich wahrnimmst. Alles andere wäre mehr als schade, denn deine kostbare neue Niere, solltest du bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützen und so lang wie möglich hüten und bewahren.
6. Knochenschwund durch Immunsuppressiva
Die Therapie mit Immunsuppressiva kann auch zu einem sogenannten Knochenschwund (= Osteoporose) führen. Die Osteoporose ist eine Stoffwechselkrankheit der Knochen, bei der diese an Dichte und Festigkeit verlieren. Grund für diese Veränderungen sind oft Probleme in dem Calcium- und Vitamin D-Haushalt. Die Folge können Knochenbrüche sein. Andere Faktoren, die die Entstehung einer Osteoporose begünstigen, sind zum Beispiel das persönliche, körperliche Aktivitätsniveau und die Ernährung.
Bei der Behandlung und Vorbeugung helfen körperliche Bewegung, (Muskelaufbautraining, Gehen im Freien, etc.), die Einnahme von Calcium- und Vitamin D-Präparaten oder andere Medikamente. Welche Maßnahmen genau notwendig sind, erklärt dir dein Transplantationsteam.
7. Andere Nebenwirkungen
Durchfall kann nicht nur durch Infektionen entstehen, sondern kann leider auch eine Nebenwirkung deiner Medikamente, insbesondere bei der Einnahme von Mycophenolsäure, sein. Wenn dein Transplantationsteam andere Ursachen ausgeschlossen hat, kann eine Dosisreduktion dieser Substanzklasse notwendig werden. Oft ist diese Nebenwirkung aber nur vorübergehend und die Mycophenolsäure kann später wieder höher dosiert werden. Manchmal ist aber eine Umstellung auf andere Wirkstoffe, wie z.B. Azathioprin, notwendig.
Niedrige Mengen weißer Blutkörperchen (=Leukopenie) können meistens durch Mycophenolsäure oder Azathioprin hervorgerufen werden. Dein Transplantationsteam reagiert hier eventuell auch mit einer Umstellung auf eine niedrigere Dosis. Bei sehr niedrigen Werten musst du vielleicht sogar ein paar Tage ein Medikament zur Erhöhung der weißen Blutkörperchen spritzen. Wenn du niedrige weiße Blutkörperchen hast und Fieber bekommst, solltest du in jedem Fall sofort ins Krankenhaus fahren. Dein Körper kann in so einem Fall fast gar nicht mit Infektionen umgehen und er muss so schnell wie möglich unterstützt werden.
Zittern der Hände kann vor allem in den ersten Monaten nach deiner Transplantation vorkommen und liegt häufig an Tacrolimus oder Cyclosporin. Mit der Zeit lässt diese Nebenwirkung meist von selbst nach bzw. lässt mit einer geringeren Dosis dieser Medikamente von alleine nach.
Besprich diese komplizierteren Nebenwirkungen am besten mit deinem Transplantationsteam und verändere niemals ohne explizite Empfehlung deine:r Nephrolog:in deine Medikamente.
Wie kriege ich die Nebenwirkungen der Immunsuppressiva in den Griff?
Wie du siehst, sind Immunsuppressiva nach der Transplantation von großer Bedeutung und werden nicht umsonst von deinem Ärzteteam eingesetzt und eingestellt. Allerdings gibt es einige Nebenwirkungen, die oft auch Teil des Programms sind. Wichtig ist, dass du deine Medikamente regelmäßig einnimmst, um einen möglichst konstanten Wirkspiegel dieser zu erzielen. Das hilft auch deinem Ärzteteam und deiner neuen Niere weiter. Gleichzeitig solltest du Nebenwirkungen unbedingt immer proaktiv mit deinem Transplantationsteam besprechen.
Deine Nierenfunktion, die Wirkspiegel dieser Medikamente und deine Blutzucker- und Blutfett-Werte werden in der Regel in den regelmäßigen Laboruntersuchungen erfasst und von deinem Ärzteteam analysiert. Deine entsprechenden Laborwerte, dein Gewicht und deine Blutdruckwerte kannst du dann in deinem Logbuch der Mizu App dokumentieren. So hast du deine wichtigsten Werte nach der Transplantation auch selbst im Blick. Um mögliche Infektionen frühzeitig zu erkennen, kannst du auch deine Infektionswerte (z.B. CRP) und deine Temperaturmessungen in deinem Logbuch eintragen. So behältst du deine Gesundheit jederzeit im Blick und kannst Auffälligkeiten direkt mit deinem Transplantationsteam besprechen.